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Fiktiver Tagebucheintrag eines Generals vom 3. Juli 1789

Aus dem Tagebuch des (fiktiven) Martin de Châlon, General der französischen Armee, der als Marschall unter La Fayette im amerikanischen Bürgerkrieg diente.

3. Juli 1789

Endlich komme ich wieder einmal dazu, überhaupt in mein Tagebuch schreiben zu können, denn in Paris herrscht die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm, nachdem nun nahezu alle Vertreter der Stände der Assembleacutee beigetreten sind. Ich fürchte wahrlich, unser König ist kaum noch zu retten. Schon als er die Generalstände einberief, schon beim ersten Gottesdienst, begann er den dritten Stand zu beleidigen. Der dritte Stand war nicht sein Feind, aber er machte ihn dazu. Mit der Treue des Waffenadels und an der Spitze der Reformer wäre unser König mehr als nur gerettet gewesen; er wäre der erfolgreichste Herrscher Europas gewesen, der den ersten Ständen die Souveranität der Zentralgewalt entrissen hätte. Sicher wäre das Volk dann ein Teil der Zentralgewalt gewesen, doch daß kann einem nur gerecht erscheinen. Der König aber verkennt Adel und Klerus; er glaubt seine Freunde bei denen, die nur ihre Privilegien schützen wollen. Und jene Adelige wie La Fayette, denen die Zukunft des Staates am Herzen liegt, werden von ihm als Kollaborateure mit dem dritten Stand angesehen. Ich hatte den König warnen wollen, aber man ließ mich nicht einmal an ihn heran. So konnte ich nur ein Signal setzen, in dem ich schon am 16. den dritten Stand unterstützte, noch bevor die Assembleacutee gegründet ward. Inzwischen scheint sie sich gegen König und Ständeordnung durchzusetzen, und wir scheinen auf einem Weg in ein besseres Frankreich zu sein. Wie im Ballhaus geschworen, soll Frankreich nun endlich eine Verfassung bekommen; und die Sprecher des Volkes selbst werden sie entwerfen. Ich hoffe nur, daß der Zorn des Volkes sich gegen den Adel und nicht den Monarchen richten wird, denn mein Schwur bindet mich an die Lilie. Doch die elenden Säbelrassler wie der Duc de Broglie wollen die Versammlung mit Gewalt zerschlagen, um ihre Privilegien zu erhalten, nicht um des Staates willen. Selbst La Fayettes Einfluß schwindet, und bald werden nur noch jene den König umgeben, die ihren Ruhm und ihren Stand mit dem Blut des Volkes erkaufen wollen. Vier Regimenter sind in Versailles, zehn weitere unterwegs - ich wäre ein Narr zu verkennen, daß der Kampf kommen wird. In Amerika lernte ich, gegen Tyrannen zu kämpfen, doch mein Schwur steht bei Gott in Ewigkeit. Mir bleibt nur wenig Zeit, meine Entscheidung zu treffen - Nein, in Wahrheit ist sie schon getroffen. Ein einzelner Mensch darf nicht mehr wert sein als die französische Nation. Ich kann nur hoffen, daß der Monarch die neue Verfassung anerkennen wird, denn sonst kann ich nichts mehr für ihn tun.