Abruf

Fiktiver Briefwechsel im Dezember 1792

Ein Brief des (erfundenen) Friedrich von Grental an Georg Ludwig II., den (ebenso fiktiven) Marschall des Fürsten von Kurhessen, einem Regimentkommandanten der Koalitionsarmee.
Anfang Dezember 1792.

Mein werter Freund Georg,

leider kann ich Euch kaum etwas Erfreuliches vermelden. Meine Ermittlungen gehen von Tag zu Tag schwerer voran, und ich muß bald um mein eigenes Leben fürchten.
Die Spur Eurer Tochter führte mich von Versailles nach Paris, zu den Überresten der Tuilerien. Im Volk prahlt man hier noch immer stolz vom Sturm auf das Schloß, von dem ich die Konsequenzen erleben mußte: Den Kammerdiener Eurer Tochter hat ein Gardist beim Sturm erschossen, und von ihr fehlt noch immer jede Spur. Meine einzige Hilfe ist ein Monsieur Jacques Arlanne aus der Gironde, der mich zu einem Treffen in seinem Haus einlud, bei dem ich einige wichtige Leute kennenlernente. Ich erfuhr dort auch, daß es hier tödlich zu sein scheint, Amt und Titel zu haben - wie gut, daß ich mich als Bürgerlicher ausgab. Selbst den König wollen manche Abgeordnete - die Montagnards - hinrichten. Wenn Eure Tochter hier geblieben wäre, wäre sie wohl verloren gewesen. Zum Gl&uumlck scheint dies nicht der Fall zu sein, denn ihre Kutsche ist nicht aufzufinden. Ich hoffe, daß sie sich nach Lyon retten konnte, denn dort soll es weit mehr Menschen geben, die noch denken können - hier in Paris verdächtigt inzwischen jeder jeden, und jeder Freund bringt einem ein Dutzend Feinde ein. Zweimal wollten mich Schläger bezwingen, die behaupteten, ich sei ein Scherge von Verrätern aus der Gironde. Das eine Mal kamen dann auch noch die Narren in Rot-Blau dazu, doch im Handgemenge konnte ich entfliehen.
Hier in Paris kann ich nichts mehr erreichen, daher werde ich noch zur Stunde nach Lyon aufbrechen.

Verzagt nicht, guter Freund, Gott wird mich auch in diesem gottlosen Land leiten und zu Eurer Tochter führen!

Euer aufrichtiger Freund

Friedrich