Abruf

Ein großes Gespräch - Der Stephan Weil-Besuch am KAV

Freitag, der 11. September: Unruhe herrschte in der Aula von KAV I. Alle waren gespannt auf ihn: Stephan Weil, der Ministerpräsident Niedersachsens, besuchte das KAV.

Zu diesem Besuch gibt es eine Hintergrundgeschichte: Schüler des neunten, zehnten und elften Jahrgangs (2014/2015) haben am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen teilgenommen. In einem Brief, den die damaligen Elftklässler an den Ministerpräsidenten verfassten, lobten sie zwar seine Rede, kritisierten aber, dass er die Jugend nicht genügend hervorgehoben habe.

Alles begann mit den Willkommensreden von unserem Schulleiter Herrn Ostermeyer, Herrn Schmalhorst und Herrn Tilly. Daraufhin begann Weil mit ersten Worten zur aktuellen Flüchtlingssituation und Plänen für die Zukunft. Für diese seien mehrere Wohnungsbauprogramme geplant sowie eine Sprachförderung, die spezielle Sprechlernklassen für Kinder miteinbezieht, damit sie dadurch die Geschehnisse verarbeiten können. Außerdem soll es extra für tief traumatisierte Flüchtlinge spezielle Therapien geben.

Der ursprünglich geplante Schwerpunkt des Gesprächs mit unserem Ministerpräsidenten Herrn Weil war der Umgang mit der Geschichte Deutschlands und Erinnerungsarbeit bezüglich des zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit. Historische Bildung an Schulen ist Stephan Weils Meinung nach von hoher Wichtigkeit. Jeder müsse sich mit seiner Herkunft und der Geschichte seines Landes auseinandersetzen und auch weiterhin mahnen und den kommenden Generationen helfen, etwas über die Vergangenheit zu erfahren. Als er danach gefragt wurde, ob Erinnerungszentren erbaut werden müssten, um an die Verbrechen der NS-Zeit zu erinnern, antwortete er, dass es bereits viele große, wie Bergen-Belsen, aber auch kleine Stätten gebe.

Weil sagte, dass niemand diese Entwicklung für möglich gehalten habe. Es sei eine „außergewöhnliche Situation“, schon fast „Völkerwanderung“.

Dann stellte sich noch die Frage, wie wir mit dem Ganzen umgehen sollen. Deutschland sei in zwei Seiten gespalten. Auch Deutschland dürfe Stephan Weils Meinung nach das Verhalten anderer Staaten in angemessener Form kritisieren, da die Vergangenheit Deutschlands bereits aufgearbeitet worden sei.

Deutschland sei für die Verarbeitung seiner Geschichte weltweit bereits oft gewürdigt worden. Auch jetzt noch Verfahren gegen die Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs laufen zu lassen, sei vor allem wichtig für die Opfer.

Die persönlichen Erfahrungen von Opfern seien am greifbarsten und mahnten am stärksten, so Weil. Wir alle müssten uns für die Zukunft vornehmen, dass so etwas wie die NS-Zeit sich nie wiederholt.

Basierend auf dem eigentlichen Anlass des Briefes, der Erinnerungsarbeit und dem Holocaust-Gedenktag, wurde die Frage gestellt, welche Gefühle vorhanden seien, wenn man mit einem ehemaligen KZ-Häftling spricht. Ministerpräsident Weil antwortete, dass er den Lebensmut der einzelnen Menschen überragend finde, den sie trotz aller Erlebnisse nie verloren hätten. Auch sei es vor allem mit ihrem Hintergrund bewegend und er habe vor jedem Einzelnen den größten Respekt.

Aber wie ist das Verhalten der anderen Länder? In der EU gebe es wenige Länder, die sich so verhalten wie wir, meinte Stephan Weil.

Im Laufe des Gesprächs wurde der Syrienkonflikt angesprochen. „Im Moment ist es zum Verzweifeln (…)“, sagte Weil. Die Diktatur durch Assad, der Bürgerkrieg und der äußerst grauenvolle Terror durch den Islamischen Staat ließen das Land in „schlimmstes Mittelalter“ zurückfallen. Eine Besserung sei unbedingt nötig, nach derzeitigem Stand aber unvorstellbar, bestätigte er.

Nun kamen die Jugendlichen ins Spiel, also wieder mehr auf den Brief des damals 11. Jahrgangs bezogen: „Ohne euch würde es nicht funktionieren".

Auch die Frage, wie man gegen rechte Hetze vorgehen solle, wurde gestellt. Das Internet sei oft ein schmutziger und hasserfüllter Ort. Man müsse hart gegen Hetze auf Facebook und Co. vorgehen, Strafanzeigen stellen und die Urheber von Hetzkommentaren, wenn möglich, konfrontieren. Nach Weil sei es unerträglich, die freie Meinungsäußerung zu missbrauchen, um Hetze zum Schaden anderer unter dem Deckmantel der Anonymität im Netz zu veröffentlichen.

Am Ende betonte Weil nochmals, bezogen auf den geschichtlichen Hintergrund Deutschlands: „Die Aufnahme von Flüchtlingen ist keine Imageaufbesserung!“