Abruf

CZ: Lehrer-Präsident gegen PISA-Hörigkeit

Links:<br>KAV-Schulleiter Bernd Ostermeyer (2. von rechts) begrüßte (von links) Landrat Klaus Wiswe, Ex-Rektor Werner Meyer und Staatssekretär Hartmut Saager.<br><br>Unten:<br>Christiane Pfingsten, Ehefrau des CZ-Verlegers Ernst Andreas Pfingsten, tauft beim Festakt ein Boot für die KAV-Ruderriege.<br><br>Fotos: Müller

„Vom Wiegen allein wird die Sau nicht fett"

Lehrer-Präsident gegen PISA-Hörigkeit


500 Gäste bei Festakt / Ostermeyer: „Schule hat zur Emanzipation der Frau beigetragen"


Um einen 200. Geburtstag angemessen zu würdigen, bedarf es vieler Worte: Mit einem dreistündigen Festakt und insgesamt 13 Reden und Grußworten sind am Sonnabend die dreitägigen Jubiläumsfeierlichkeiten am Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium zu Ende gegangen. Obwohl er erst als Letzter ans Pult durfte, verstand es Hauptredner Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, die rund 500 Gäste noch einmal glänzend zu unterhalten.


CELLE. Josef Kraus nahm es mit Humor. Als der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes am Sonnabend als 13. und letzter Redner die Bühne in der Sporthalle des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasiums erklomm, war das Sitzfleisch der rund 500 Gäste schon arg strapaziert. „Jetzt sehen wir Alten mal, wie das Festakt zum 200. Geburtstag der Celler Schule sogar einen Senioren-Leichtathletik-Wettkampf sausen ließ.
Kraus' Ausführungen zum „Gymnasium zwischen Verwertungsdenken und Kulturauftrag" war dann sogar erfrischender, als es der trockene Titel vermuten ließ. Der PISA-Hörigkeit beispielsweise erteilte er eine deutliche Absage: „So schlecht, wie deutsche Schüler durch PISA gemacht werden, sind sie nicht - und vom ständigen Wiegen wird die Sau auch nicht fett", unternahm der Lehrer-Präsident einen Ausflug in die Landwirtschaft.
In der Ausbildung der Schüler bedürfe es eines Gleichgewichts zwischen ökonomischen und kulturellen Ansprüchen. „Wirtschaftliche Prinzipien können nicht eins zu eins auf Schule übertragen werden", so Kraus. „Andererseits hätte die Wirtschaft weniger Sorgen, wenn manche Großunternehmen ein Management wie unsere Schulen hätten - da läuft es nämlich meistens wie am Schnürchen." Daneben warnte Kraus vor überzogenem „IT-Wahn": „Das elektronische Klassenzimmer wäre ein verarmtes, anonymisiertes Klassenzimmer. Schüler brauchen ein Lehrergesicht vor sich - nicht nur einen Bildschirm."
Mit den aufgespannten Fallschirmen an der Decke war der „Festsaal als Sporthalle kaum zu erkennen", wie Schulleiter Bernd Ostermeyer feststellte. Er betonte, dass das KAV-Gymnasium als frühere Schule für höhere Mädchen-Bildung wesentlich zur Emanzipation der Frau beigetragen habe.
Auch ohne Fallschirme ist das KAV-Gymnasium offenbar durch die stürmische Zeit der jüngsten Schulstrukturreform gekommen - und trotz der Erweiterung auf nunmehr vier Standorte sanft gelandet. „Die Zeit der großen äußeren Umbrüche ist vorbei, jetzt gilt es, das Bemühen um inhaltliche Verbesserungen fortzusetzen", sagte Staatssekretär Hartmut Saager. Als er anregte, auch das KAV solle sich einmal dem neuen Instrument der Schulinspektion unterziehen, erntete Saager allerdings skeptische Blicke aus den Reihen des Lehrerkollegiums.
Was vielleicht die schönste Erkenntnis nach 200 Jahren KAV-Historie ist, brachte Schülerin Mirjam Hauschildt auf den Punkt: „Unsere Schule ist keine Anstalt der reinen Wissensvermittlung. Hier steht das Miteinander im Vordergrund. An dieser Schule existiert eine echte Gemeinschaft."