Abruf

Abnabeln von zu Hause - Leben in der ersten eigenen Bude

Für viele Jugendliche beginnt nach dem
Schulabschluss ein neuer Lebensabschnitt:

auf eigenen Beinen stehen, Geld verdienen

oder ein Studium aufnehmen. Für Letzteres hat

sich Tim Heiland aus Celle entschieden. Er studiert

in Göttingen molekulare Medizin. Wie Tim sich sein

Leben dort eingerichtet hat, darüber berichtet

CickZack-Mitarbeiterin Adriana Alana Stibral
. GÖTTINGEN. Der Schulabschluss ist geschafft, nun fängt ein ganz neuer Lebensabschnitt an: wichtige Entscheidungen selber treffen, für sein Handeln Verantwortung übernehmen und schließlich die Abnabelung vom Elternhaus. Die individuelle Lebensgestaltung wird in die eigenen Hände genommen. Wer eine Ausbildung oder ein Studium beginnt, lernt selbstständig zu werden.
Doch dieser wichtige Schritt im Leben eines jungen Menschen ist zunächst auch mit vielen Hindernissen verbunden. Wie finanziere ich mein Leben? Was wird mich in Zu¬kunft erwarten? Was muss ich alles leisten? Solche und viele weitere Fragen beschäftigen jeden, der sein Leben ganz alleine planen und gestalten will.
Tim Heiland ist ein ehemaliger Schüler des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium Celle. Er absolvierte im Sommer dieses Jahres das Abitur und studiert seit Mitte Oktober molekulare Medizin an der Georg-August-Universität Göttingen. Als Tim die Zusage für den Studienplatz in Göttingen bekam, ging es zunächst um eines: Wie finde ich ein Dach über dem Kopf? Mit Hilfe des Internets recherchierte er nach freien Wohnungen, Studentenheimen und Wohngemeinschaften. Er entschied sich schließlich für die günstigste Wohngemeinschaft. Innerhalb weniger Tage richtete sich der 19-Jährige in seinem gerade mal acht Quadratmeter großen Zimmer ein. Viel mehr als ein Bett, ein kleiner Schreibtisch und ein schmaler Kleiderschrank passen dort nicht hinein.
Tim lebt in einem Studentenhaus, das aus drei Etagen besteht. Die oberen beiden bilden den Wohnbereich. Sechs Personen teilen sich eine Küche und ein Bad. „Meine Mitbewohner sind ganz in Ordnung, leider wird es hier häufig ein bisschen laut und unordentlich", schmunzelt Tim. Damit meint er die vielen Studentenpartys, die wöchentlich stattfinden.
Tims Alltagsleben hat sich stark verändert, er hält sich täglich etwa acht Stunden an der Universität auf. Um acht Uhr morgens fängt die erste Vorlesung an. Neben Seminaren und Mittagspausen sind die Tage noch mit Laborarbeit und Projekten gefüllt. Zusätzlich müssen ein bis zwei Stunden für Hausaufgaben und andere Vorbereitungen für den nächsten Tag eingeplant werden.
Nach einem anstrengenden Tag an der Universität hält sich Tim mit Sport fit. Als weiteren Ausgleich geht er gerne am Wochenende mit Freunden in Bars und knüpft neue Kontakte. „Man sollte immer die Initiative ergreifen, Leute ansprechen und offen für Neues sein", rät der junge Student. Damit dürfte er Recht haben - bei rund 15 000 Studenten kann man sicherlich schnell Freunde finden.
Es werden hohe Erwartungen an die Studenten gestellt. Fleiß, Eigenverantwortung und Motivation gehören zu den wichtigsten. Schließlich bestimmt das Resultat des jahrelangen Studiums über die späteren Berufschancen. Aber wie ist das mit der Finanzierung? Tim: „Meine Eltern zahlen einen monatlichen Grundbetrag, für den ich sehr dankbar bin. Trotzdem reicht das nicht aus. Deshalb gehe ich noch - so
weit es mir möglich ist - unter der Woche arbeiten." Das meiste Geld geht für Miete, Telefonrechnung und Essen drauf. Weitere Kosten fallen für Bücher, Schreib- und Labormaterial an. Die Kosten für Literatur können sich pro Semester schon mal auf bis zu 600 Euro belaufen.
Momentan muss in Göttingen eine Semestergebühr von 165 Euro gezahlt werden, ab 2007 werden 500 Euro pro Semester als Studiengebühren verlangt. Tim ist sehr dankbar für die Unterstützung, die er von seiner Familie erhält: „Bei all den Veränderungen seit Studienbeginn schätze ich ein Wiedersehen mit meiner Freundin und der Familie umso mehr. Ich denke, dass ich viel selbstständiger geworden bin."
Mit den Leistungsfächern Geschichte, Mathe und Deutsch sowie dem Prüfungsfach Chemie war in der Oberstufe zunächst nicht klar, welches Fach Tim später studieren wollte. „In der 12. Klasse war ich überzeugt, dass ich Geschichte oder Politik studieren wollte. Damals war es mein Wunsch, im auswärtigen Dienst tätig zu sein. Trotzdem habe ich auch ein Medizinstudium als Alternative in Betracht gezogen", sagt er.
Die Wahl seiner Leistungskurse bot viele Möglichkeiten, unterschiedliche Fächer zu studieren. Der Entschluss, das Studium der
molekularen Medizin zu beginnen, erfolgte im 13. Jahrgang, als sich Tim intensiv über dieses Fach informierte und großes Interesse am Forschungspotenzial dieser Fachrichtung entdeckte. „Danach ging alles recht zügig. Ich bewarb ich mich sofort bei fünf Unis in Deutschland und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, um möglicherweise ein Stipendium zu bekommen", berichtet der junge Student. Eine längere Pause nach dem Schulabschluss oder ein Auslandsaufenthalt kamen für ihn nicht in Frage.
Tim erreichte als Jahrgangsbester einen Abiturdurchschnitt von 1,4: „Ich habe mich riesig gefreut und war auch ein bisschen stolz. Mit diesem Abidurchschnitt und einer solch guten Schulausbildung, die ich am KAV genossen habe, ergaben sich für mich viele Chancen für meine Zukunft." Nach dem geschafften Abitur fühlte er Aufbruchstimmung und Freude, aber auch Müdigkeit und Erschöpfung. Das Abitur wurde erst einmal mit einer Dänemark-Reise und einem einwöchigen Aufenthalt in Spanien ordentlich gefeiert. Ausspannen und mal Nichtstun müsse auch mal sein, meint der 19-Jährige.
In Göttingen verlängte die Universität einen Eignungstest, der aus Aufgaben über Medizin, Chemie, Physik und Biologie bestand. Von 300 Teilnehmern an dieser Prüfung bestanden lediglich 47. Von denen haben letztlich nur 20 einen Studienplatz an der Georg-August-Universität erhalten. Entschied früher meist nur die Bewerbung oder der numerus clausus über einen Studienplatz, so sind heute Auswahlverfahren, Eignungstests und intensive Bewerbungsgespräche entscheidende Faktoren. „Wenige Wochen später erhielt ich vier Absagen von den Unis. Das war ein ziemlicher Schock. Aber eine Zusage erhielt ich aus München für das Fach Medizin, deshalb habe ich mich einschreiben lassen und auf Wohnungssuche begeben."
Dann meldete sich überraschenderweise zwei Wochen vor dem offiziellen Studienbeginn die Universität Göttingen bei Tim. Einer der Bewerber für den Studienplatz der molekularen Medizin war abgesprungen. Und weil Tim noch
auf der Warteliste eingetragen war, wurde nun ein Platz für ihn frei. „Ich hatte mich so gefreut, schließlich wollte ich unbedingt dieses spezielle Fach studieren. Ich musste meine Pläne noch mal alle neu gestalten und begab mich nach Göttingen, nachdem ich mich in München abgemeldet hatte."
Für Abiturienten ist die Wahl von Studienfach und Studienort die erste wichtige Entscheidung im neuen Lebensabschnitt. Weitere Schritte könnten folgen: im Ausland zu studieren, die Hochschule zu wechseln oder Fächerkombinationen neu zu wählen.
Egal ob Studium oder Ausbildung - eines sollte sich junge Leute klar machen: Bildung ist eine wichtige Sache, die das zukünftige Leben maßgeblich beeinflusst.