Abruf

Brecht mit Weill bei Loriot und Freud

Mit Brecht hatten sie vor fast 30 Jahren angefangen; mit Brecht traten sie nun ab: Im Schlosstheater bestritt Das Literarische Café des KAV-Gymnasiums sein mit »Brecht-ICH« betiteltes Bühnenprogramm ein letztes Mal unter der Leitung von Matthias Lennartz und Rudolf Markfort.

Am Ende wurde es herzlich, und eine Spur Wehmut durchzog die herrschende Vergnüglichkeit. Eben hatte die Schulleiterin, Frau Schillings, die beiden Gründer und Leiter des Literarischen Cafés, der lyrisch-musikalischen Kleinkunst-AG des KAV-Gymnasiums, auf der Bühne des Schlosstheaters verabschiedet, weil sie in diesem Jahr in den Ruhestand gehen werden, da waren wieder die Schüler an der Reihe, die zuvor als AG-Teilnehmer das umfangreiche Programm bestritten hatten: Ihre beiden Lehrer, Matthias Lennartz und Rudolf Markfort, mit warm wohlgesinntem Schmunzeln bedenkend, ließen sie das Publikum die eine und andere Anekdote aus der Entwicklungs- und Probenphase des Bühnenprogramms mit dem Titel »Brecht-ICH« hören, mit denen sie ein humorvolles Bild der beiden Kollegen und Freunde zeichneten, ein Doppelportrait, in dem der eine (Markfort) als quasi buddhahafter Ruhepol erschien, während der andere (Lennartz), nicht weniger ausgeglichen aber doch um ein Gran ambitiöser, als lächelnder In-die-Seele-Schauer daherkam. Man glaubte AG-Teilnehmer Can Firker ohne Zweifel, als er sagte, dass dieses Duo und die Erfahrungen, die es ermöglicht hat, für immer in den Herzen ihrer AG-Schüler bleiben werde.

Das eigentliche Programm, das prächtig brechtige, war wieder einmal vielfarbig, ohne zu grell zu sein – und kann also als sehr gelungen bezeichnet werden. Wohl nicht zuletzt durch die Prägung und feinfühlige Lenkung seitens der AG-Leiter war eine Collage entstanden, die lyrisch Literarisches mit berührend dargebotener Musik und der Komik gespielter Sketche gekonnt vereinte (z.B. mit Loriots kaputtem Fernseher sowie dem leider nicht weichen Frühstücksei). Es würde den Rahmen dieses Textes schwer sprengen, wollte man all die Namen derjenigen aufzählen, die etwas Wertvolles beizutragen hatten – denn das hatten alle, und es waren immerhin ganze 32 Schüler, die die Bühnenbretter betraten. Schön zu erleben war indes auch, dass der Ich-Teil von »Brecht-ICH« gestaltet wurde mit viel Selbstgeschriebenem, dass also auch in diesem Jahr neben darstellerischen und interpretierenden Leistungen ganz originär künstlerisch-kreative zu bewundern waren. Ein weiterer Bonus: dass es, wenn es politisch war, nie platt und plakativ botschaftsmäßig wurde, dass nie ein Message-Hammer hämmerte – sondern dass es immer künstlerisch und/oder humorvoll blieb, bei allem Ernst im Kern, sodass man selber nachdenken durfte.

Den Epilog übernahmen in diesem ihrem letzten Literarischen Café Matthias Lennartz und Rudolf Markfort selbst, indem sie eine denkwürdige Rede zur »Kulturentwicklung gegen den Krieg« hielten. Darin zitierten sie aus einem Brief von Sigmund Freud, den dieser 1932 als Antwort an Albert Einstein verfasste. In seinem Brief musste der große Psychoanalytiker und Sprachstilist den großen Physiker einesteils klar enttäuschen, war es doch die zentrale Frage des letzteren gewesen, »was man tun könne, um das Verhängnis des Krieges von den Menschen abzuwehren«. Freud nämlich musste einerseits attestieren, der Kriege scheine »doch naturgemäß, biologisch wohlbegründet, praktisch kaum vermeidbar« –, und dennoch sei es freilich richtig, sich über den Krieg zu empören, »weil jeder Mensch ein Recht auf sein eigenes Leben hat, weil der Krieg hoffnungsvolle Menschenleben vernichtet, den einzelnen Menschen in Lagen bringt, die ihn entwürdigen [...]«. Freund beendet seinen Brief jedoch mit einer hoffnungsvollen Note, die jetzt auch hier im Schlosstheater aus Lennartz' und Markforts Rede klingt: »Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.« Die Kulturentwicklung an ihrer Schule haben die beiden Pädagogen-Recken in hohem Maße mitbestritten.

Für ein Weiterbestehen der AG ist glücklicherweise gesorgt. Wie Frau Schillings in ihren Worten der Verabschiedung berichtet, haben sich die KAV-Kolleginnen Maria Doormann und Johanna Thomsen bereiterklärt, die Nachfolge von Lennartz und Markfort anzutreten. Die Fußstapfen, in die da zu treten sein wird, sind tief und haben viel Profil. Aber es wird schon werden.